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26.4.2024 : 15:14 : +0200

 

Die ersten Konfrontationen und der japanisch-chinesische Krieg

 

Die japanischen Spannungen mit China um die Herrschaft in Korea führten im August 1894 zum Krieg, der durch überraschend schnelle Siege der modernisierten Land- und Seestreitkräfte beendet werden konnte. Die Japaner demonstrierten erstmals und sehr eindrucksvoll wie effektiv ihnen die Übernahme westlicher Technik und Organisation sowohl auf militärischem, als auch auf wirtschaftlichem Gebiet gelungen war. Diese Ereignisse hatten in Japan zur Folge, dass sich ein tiefes Vertrauen zur neuen Armee entwickelte, welches sich in einer raschen Vergrößerung von Armee und Marine niederschlug. Es wurde nun gezielt darauf hingearbeitet die Armee für einen ‚unausweichlichen’ Krieg mit Russland fit zu machen. Im Diktatfrieden von Shimonoseki (18. April 1895) mussten die Chinesen Formosa (Taiwan) samt den davor liegenden Pescadoren-Inseln abtreten, dazu den Flottenstützpunkt Port Arthur, und sie mussten auch die meisten Kriegskosten bezahlen. Korea wurde formell unabhängig jedoch der japanischen Schutzmacht unterstellt. Der Krieg hatte bewiesen, dass Japan eine Macht geworden war, mit der man in der Arena des Fernen Ostens rechnen musste. Das alarmierte die Russen. Um den gefährlichen Rivalen fernzuhalten, protestierten sie gegen die Ausführung des Friedensvertrages.  Witte der aktive Politik gegen Japan betrieb erklärte: „Durch diese Haltung könnten wir die Rolle eines Retters von China spielen, wobei China uns dann für unsere Dienste später durch friedliche Zustimmung zu einer Korrektur unserer Grenzen belohnen könnte.“  Deutschland schloss sich der Intervention an. Es hoffte auf die langfristige Bindung des Zarenreiches in Asien und die Förderung deutscher Handelsinteressen mit einem militärisch-wirtschaftlichen Stützpunkt im kranken China. In die selbe Richtung ging auch Frankreich.  Dem vereinten Druck des »ostasiatischen Dreibundes« musste sich die Regierung in Tokio beugen und ihre eigentliche Siegesbeute wieder herausgeben: die Halbinsel Liaotung mit den Häfen Port Arthur und Dalny . Auch Korea schien für Japan verloren.


Petersburg sicherte sich durch einen Geheimvertrag mit Peking (Moskauer Vertrag vom 22. Mai 1896) den Bau des letzten Bahnabschnittes nach Wladiwostok durch nordmandschurisches Gebiet in bedrohlicher Nähe der koreanischen Grenze. Mit der Entscheidung, die einzige Eisenbahnverbindung zwischen der russischen Pazifikküste und Sibirien quer durch chinesisches Gebiet zu bauen, hatte die zaristische Regierung fast zwangsläufig den Weg zu einer stärker interventionistischen Politik in China beschritten. Wittes Plan war die Strecke von der sibirischen Stadt Tschita quer durch chinesisches Gebiet zum russischen Fernosthafen Wladiwostok zu führen. Die Alternative wäre eine Trasse auf russischem Hoheitsgebiet entlang der Grenze zu China gewesen, den Ufern des Amur und Ussuri folgend. Man hätte dabei einen Umweg von rund 1.500 Kilometern und aufgrund des bergigen Geländes enorme Mehrausgaben in Kauf nehmen müssen. Durch diese Streckenführung gewann die Mandschurei für das außenpolitische Staatsinteresse Russlands eine ebensolche Bedeutung wie Ägypten nach dem Bau des Suezkanals für Großbritannien oder Panama wegen seines Kanals für die Vereinigten Staaten. In einem Zusatz des Moskauer Vertrages wurde eine Defensivallianz zwischen Russland und China vereinbart. Die Eisenbahn war die Grundlage und militärtechnische Voraussetzung des Bündnisses.


Aber auch die anderen Großmächte nützten den Zustand des innerlich zerrütteten chinesischen Riesenreiches zur Aufteilung in klar abgegrenzte Interessensphären aus . Deutschland drückte das Recht zum pachtweisen Besitz der Bucht von Kiautschou mit dem Hafen Tsingtau für die Dauer von 99 Jahren durch.  Frankreich erwarb die Halbinsel Kuangschouwan südwestlich von Kanton. Kaiser Wilhelm II. auf dem Fuße folgend, hatte Zar Nikolaus II. am 16. Dezember 1897 seine Kriegsschiffe auf der Außenreede von Port Arthur ankern lassen; der Auftakt zur Abtretung der Südspitze von Liaotung als Pachtgebiet. Die zugesicherte Bahnverbindung mit der durch die Mandschurei führenden Hauptlinie zwischen den wichtigen Hafenplätzen auf der Halbinsel und Wladiwostok rundete die erzwungene Übereinkunft ab. England als Initiator des Interventionsgedankens hatte sich zurückgehalten, was seine Annäherung an Japan erleichterte, bezog jedoch die Riegelstellung des Hafens von Weihawei im Nordosten von Shantung, Port Arthur gegenüber. In der internationalen Öffentlichkeit dieser Zeit wurde eine De-facto- Aufteilung des chinesischen Reiches in Einflusssphären der Großmächte als mehr oder weniger gegeben betrachtet.


War schon der revidierte Frieden von Shimonoseki für das ganze japanische Volk eine Schmach, so empfand es die Besetzung von Port Arthur durch die Russen als tiefste nationale Demütigung. Der Bahnbau der Zweigstrecke von Harbin bis Port Arthur kündigte die Beherrschung der gesamten Mandschurei an und darüber hinaus auch den Zugriff auf Korea.

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