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19.5.2024 : 3:07 : +0200

 

Resümee

 

Der alteingeführten europäischen Großmacht Russland stand der asiatische Newcomer Japan gegenüber, dessen schnelle wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung im öffentlichen Bewusstsein Europas noch kaum seinen Niederschlag gefunden hatte. Durch seinen Sieg über Russland hatte sich Japan einen Platz in der Reihe der damaligen Großmächte erkämpft, und nachdrücklich in der bisher europazentrierten Welt auf die gewachsene Rolle nichteuropäischer Völker, im seinerzeitigen Sprachgebrauch die „gelbe Gefahr“ genannt, aufmerksam gemacht. Militärisch wurden eine Reihe von Besonderheiten sichtbar, durch welche sich der Krieg 1904/05 als erster einer Reihe von ‚imperialistischen’ Kriegen von der Art der Kabinettskriege unterschied:
Das militärische Potential der beteiligten Staaten wurde, weitaus mehr als bisher üblich, durch ihre ökonomische Leistungsfähigkeit bestimmt.


Der Krieg wurde mit Massenarmeen aus Wehrpflichtigen in bisher beispiellosen geographischen Dimensionen geführt. Schlachten und Operationen dauerten nicht mehr Tage, sondern Wochen und Monate und der Verbrauch militärischer Güter stieg in bisher ungeahnte Dimensionen.
Ungewohnt war auch die Austragung des Kampfes zwischen Russland und Japan auf dem Territorium der neutralen Länder China und Korea.
Hinzu kommt die Verwendung neuer Waffensysteme (moderne Panzerschiffe, Torpedos, Schnellfeuerartillerie mit indirekten Schießverfahren, Maschinengewehre, Handgranaten u.a.) die neue Führungs- und Ausbildungsmethoden erforderlich machten. Es zeigte sich die Notwendigkeit der Entwicklung bisher unbekannter Kampfmittel auf der Grundlage des aktuellen Standes von Wissenschaft und Technik (U-Boote, Funk, Flugwesen), welcher zu einem Rüstungswettlauf zwischen den verschiedenen imperialen Staaten führte. Sorgfältig wurden diese Erscheinungen durch ausländische Militärbeobachter bei Russen und Japanern studiert, und es entwickelten sich eine rege Diskussionen in der internationalen Militärpresse.


In Russland zog das militärische Debakel schwerste Erschütterungen im Inneren nach sich. Mit den Ereignissen des Januar 1905 in Petersburg begann in Russland eine bis 1907 anhaltende Periode revolutionärer Unruhen. Infolge des langanhaltenden Reformstaues und der durch den Krieg politisch geschwächten zaristischen Herrschaft begannen nun Teile der russischen Arbeiterklasse, der Bauernschaft und des Bürgertums ihre politischen, ökonomischen und sozialen Forderungen mit Mitteln des aktiven politischen, auch bewaffneten Kampfes durchzusetzen. Aber auch in den Reihen der politisch Herrschenden, bis hinauf zum Zaren, erschienen jetzt politische Reformen unausweichlich. Davon blieb auch das Militär nicht verschont, zumal wegen der Misserfolge im Russisch-Japanischen Krieg die Masse der Offiziere die Notwendigkeit von Veränderungen in Armee und Flotte zwecks Wiederherstellung ihrer Kampfkraft und zur Behauptung der Großmachtstellung Russlands als unbedingt erforderlich betrachtete.